Ökostromausbau: Sonne, Markt und Netze

Die hitzigen Diskussionen aus dem ersten Halbjahr sind zum Glück abgeflaut, aber auch weiterhin wird politisch vor und hinter den Kulissen emsig am Fortgang der Energiewende gewerkelt. Bei der Wärmewende ging es ordentlich voran (siehe zugehörigen Artikel von Cati), aber auch im Stromsektor tut sich einiges. In den letzten drei Monaten ging es dabei vor allem um das Solarpaket, die Strommarktreformen auf europäischer Ebene sowie die stärkere Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur und ihre daraus erwachsende Macht über Netzzugänge und -entgelte. Hier findet ihr wie üblich eine kurze Zusammenfassung der aktuellen energiepolitischen Geschehnisse.

Neben den Wärmefragen stand in der bundesdeutschen Energiepolitik zuletzt vor allem das Solarpaket I im Fokus, mit dem das Wirtschaftsministerium bzw. die Ampel-Koalition den Erneuerbare-Energien-Ausbau weiter beschleunigen will. Um selbst noch Ideen einzubringen, haben wir auch ein eigenes parlamentarisches Frühstück dazu veranstaltet. Dieses Gesetzespaket wurde im August im Kabinett beschlossen, im Oktober folgte dann die erste Lesung und bis November wird der finale Beschluss erwartet. Einige Details können sich also noch ändern, insbesondere gibt es Hoffnungen, dass auch das Thema Energy Sharing – zu dem ich ansonsten in dieser Ausgabe mal nicht berichte – noch mit aufgenommen wird. Aber im Großen und Ganzen sind schon viele Verbesserungen des Solarpakets klar, diese werden dann ab Januar 2024 in Kraft treten.

Solarpaket I – was steht drin?

Im Gegensatz zum Namen werden keinesfalls nur Regelungen für die Photovoltaik angeschoben, auch für Windprojekte gibt es Verbesserungen: Hier sind insbesondere Duldungspflichten für Grundstückseigentümer bei Netzanschlussleitungen sowie längere Realisierungsfristen nach Auktionszuschlag zu nennen. Hauptsächlich geht es aber schon um die Sonnenenergie, und zwar u. a. mit folgenden Punkten:

  • Mehr Flächen für Solarparks:
    Die Bundesländer werden verpflichtet, in gewissen Grenzen benachteiligte Gebiete für Freiflächenanlagen bereitzustellen.
  • Bevorzugung für Sonder-PV:
    Ob schwimmend, auf Parkplätzen. in Mooren oder in Verbindung mit Landwirtschaft: Photovoltaik kommt in vielfältigen Formen daher. Vorteil dieser Sonderformen ist der Doppelnutzen der Fläche. Daher werden diese Anlagen künftig gegenüber „normalen“ Solarparks in den Ausschreibungen bevorzugt und mit höheren Vergütungen bedacht.
  • Ausweitung Mieterstrom
    Der Mieterstromzuschlag kann jetzt auch auf Dächern von Gewerbeimmobilien oder von Nebengebäuden gewährt werden, zudem werden Vertragsmodalitäten etwas vereinfacht.
  • Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
    Ergänzend zum Mieterstrom wird es eine neue Versorgungsvariante für Mehrfamilienhäusern geben, bei der nur der erzeugte Solarstrom an die Haushalte geliefert wird – die darüber hinaus nötige Restrombelieferung wird im Gegensatz zum Mieterstrom nicht vom Betreiber abgedeckt und muss jeweils individuell ergänzt werden. Dafür gibt es vereinfachte Lieferanten- und Abrechnungspflichten, was das Modell gerade für kleine Mehrfamilienhäuser bzw. private Vermieter interessant machen könnte.
  • Vereinfachte Direktvermarktung
    Anlagen mit zunächst 400 kW Leistung, ab 2026 noch bis 200 kW, können eventuellen Überschussstrom künftig unentgeltlich an die Netzbetreiber abgeben und müssen sich dafür keinen Direktvermarkter suchen. Was sich im ersten Moment nach einem schlechten Geschäft anhört, kann für Anlagen ab 100 kW mit hohem Eigenversorgungsanteil durchaus lohnend sein.
  • Balkonsolar wird nach vorne gebracht
    Auch wenn es kein Geschäftsmodell von uns ist, trotzdem eine gute und erwähnenswerte Nachricht: Mit dem Solarpaket werden viele Regeln zu Balkonsolar im Sinne der Verbraucher:innen angepasst, so dass wir das schwarze PV-Glitzern hoffentlich bald noch viel häufiger auch an und nicht nur auf den Häusern sehen werden.

 

EU-Energiemarkt-Reformen nehmen Fahrt auf

Nun erstmal ein kurzer Sprung nach Brüssel: bereits im Frühjahr hat die EU-Kommission einen Vorschlag für die Überarbeitung des Strommarktdesigns gemacht, mit welcher einerseits der Erneuerbaren-Ausbau angeschoben, andererseits solche Kriseneffekte wie 2022 abgemildert werden sollten. Das EU-Parlament hat dann im Sommer seine Verhandlungsposition dazu festgelegt, die EU-Mitgliedsstaaten als dritte Partei am Tisch konnten sich aber lange nicht auf eine Haltung einigen. Dies ist jetzt Mitte Oktober passiert, danach wurden direkt die Trilog-Verhandlungen aufgenommen und das Ganze soll bis spätestens Februar 2024 beschlossen werden.

Details sind noch auszuhandeln, die Grundzüge sind jedoch klar: Neue Erneuerbare-Energien-Anlagen sollen künftig vorrangig über CfD (Contracts for Difference, also Fördermodelle mit einer Absicherung nach unten, aber eben neu auch einer Einnahmengrenze nach oben) gefördert werden. Hier ist noch offen, ob diese CfDs wirklich als einziges Förderinstrument verbleiben oder ob es noch Alternativen geben darf. Parallel dazu sollen aber auch PPA als marktliches Instrument gestärkt werden. Der Verbraucherschutz im Energiemarkt wird ausgeweitet, Stromsperren werden verboten – in Deutschland ist das mit der Grundversorgung ja bereits gelebte Praxis. Und Energy Sharing (jetzt taucht es doch noch einmal auf) als Grundprinzip, wie Bürger:innen untereinander Strom handeln und tauschen können, wird weiter gestärkt, das Recht der Verbraucher:innen auf solche Modelle wird explizit verankert. Mehr zu den Ergebnissen der Verhandlungen dann in einem der nächsten Beiträge…

Bundesnetzagentur wird zentraler Akteur bei der Energiewende

Und direkt zurück nach Berlin oder eigentlich Bonn: Schon bislang hatte die Bundesnetzagentur eine wichtige Rolle als Aufpasser und Kontrolleur im deutschen Energiemarkt inne, konnte aber nur wenig genuine Gestaltungsmacht ausüben. Das hat der Europäische Gerichtshof bemängelt und entsprechend der europäischen Vereinbarungen mehr Unabhängigkeit für diese Behörde angemahnt.

Mit einer aktuell beratenen Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes soll dieses Urteil nun umgesetzt werden, die BNetzA wird in ihren Kompetenzen deutlich gestärkt und kann künftig unabhängig über ziemlich alle Fragen des Netzzugangs und der Infrastrukturfinanzierung entscheiden. Exemplarisch ist dabei das bereits laufende Verfahren zum §14a EnWG, in dem es um die Leistungsdrosselung bei steuerbaren Verbrauchern geht. Hier hat die BNetzA auf eigene einen (insgesamt durchaus sinnvollen) Umsetzungsvorschlag gemacht und diesen mit der Branche mehrfach konsultiert. Noch im November soll das Ergebnis feststehen, welches dann unmittelbar gilt, ohne weitere Gesetzesverfahren oder Regierungskonsultationen.

Ähnliche Entscheidungsprozesse sind etwa für eine bereits angekündigte Reform der Stromnetzentgelte oder bei der künftigen Nutzung sowie Finanzierung von Gas- und Wasserstoffnetzen zu erwarten.

Verlängerung Energiepreisbremsen & Mehrwertsteueränderung

Zum Schluss noch kurz der Info halber: Auch die lange angekündigte Verlängerung der Energiepreisbremsen ist Mitte Oktober endlich auf den Weg gebracht worden, diese Absicherungen sollen nun bis Ende April 2024 fortgelten. Da die Verlängerung aber erst noch durch die EU-Kommission freigegeben werden muss und zudem noch viele Detailfragen mittels Anpassung der Preisbremsen-Gesetze im Parlament ihrer Klärung harren, wird es voraussichtlich wie im letzten Jahr wieder ein hektischer Jahresendspurt im politischen Berlin und dann auch für alle, die das umsetzen müssen. (sorry schon einmal dafür…)

Bei der zuletzt als Krisenhilfe abgesenkten Mehrwertsteuer für Gas sieht es aktuell so aus, als ob zum Jahreswechsel wieder der normale Satz von 19% gelten wird. Auch hier gibt es im Parlament aber noch Vorbehalte, die „Normalisierung“ könnte also gekippt oder zumindest auf den April/Mai verschoben werden. Diese Entscheidung wird also ebenfalls erst relativ spät final getroffen und muss dann wahrscheinlich sehr direkt in den Systemen umgesetzt werden.

Mit diesen leider hektischen Aussichten entlasse ich euch für dieses Mal, und trotz der manchmal etwas chaotischen Prozesse bin ich nach den langen Jahren des unionsgeführten Nichtstuns froh, dass es weiter vorangeht beim Umbau unseren Energiesystems. Auf Wiederlesen! 😊

Ansprechpartner: Sven Kirrmann

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