Hitzige Zeiten – auch in der Energiepolitik

Auch im letzten Quartal war wieder viel los auf dem energiepolitischen Parkett. Neben den größeren Wind- und Solarstrategien gab es eine Vielzahl an zusätzlichen Einzelreformen – und natürlich das alles überschattende Gebäudeenergiegesetz, dass die Koalition an den Rande des Scheiterns gebracht hat. Das Politik-Team hält euch auf dem Laufenden:

Wenn ihr diesen Text lest, ist parlamentarische Sommerpause. Endlich. Denn nicht nur das aktuelle Wetter, sondern auch das letzte Quartal und insbesondere die letzten Wochen waren angesichts der Vielzahl an energiepolitischen Reformen mal wieder eine heiße Sache. Das größte Thema war dabei sicher das Gebäudeenergiegesetz – das eigentlich sehr fachliche Gesetz wurde durch Fehlinformationen und Medienkampagnen schnell an jedem Küchentisch debattiert. Daher steigen wir damit auch ein, aber es gibt auch noch vieles weitere zu berichten:

Die Wärmewende wird vertagt

Nach den hitzigen Debatten der letzten Monate rund um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) hat nun das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren dessen Verabschiedung vor der Sommerpause gestoppt. Der Abgeordnete Thomas Heilmann (CDU) hatte die kurzfristig angesetzte Verabschiedung der umstrittenen Gesetzesnovelle in Karlsruhe angeprangert, da die Vorbereitung der Parlamentsdebatte in weniger als 14 Tagen nicht fundiert möglich sei. Das Gericht gab ihm Recht.

Demnach wird die Verabschiedung des novellierten Gebäudeenergiegesetzes voraussichtlich erst im September stattfinden. Auf die dringend benötigte Wärmewende selbst muss Deutschland nach dem zuletzt veröffentlichten Gesetzesentwurf allerdings noch wesentlich länger warten. Zur Erinnerung: der erste Gesetzentwurf sah vor, dass zum 1.1.2024 ein 65-Prozent-Kriterium für Erneuerbare Energie beim Einbau neuer Heizungen gelten sollte. Dieses 65-Prozent-Kriterium war bereits im Koalitionsvertrag der Ampel niedergeschrieben. Doch nach den massiven, leider oft unsachlich geführten Diskussionen rund um den „Heizungshammer“, soll nun erst eine sogenannte Wärmeplanung auf kommunaler Ebene durchgeführt werden, bevor das 65-Prozent-Kriterium überall gilt. Nur für Neubauten in Neubaugebieten soll das 65-Prozent-Kriterium bereits ab nächstem Jahr gelten.

Grundsätzlich ist die Wärmeplanung eine sinnvolle Sache, denn sie beinhaltet einen flächendeckenden und umfassenden Ansatz für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung in Deutschland bis 2045. Einige Städte und Kommunen haben bereits mit der Wärmeplanung begonnen und sich einen systematischen Überblick über die Potentiale ihrer Wärmenetze und deren möglichen Ausbau/Neubau (inklusive Wasserstoffnetzen*) verschafft. Ergänzend zum Gebäudeenergiegesetz hat die Bundesregierung daher im Juni einen Entwurf für ein „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ (Wärmeplanungsgesetz) vorgelegt. Dieses Gesetz soll die Wärmeplanung bundesweit langfristig und strategisch regeln. Es soll ebenfalls nach der Sommerpause im Bundestag debattiert werden.

Mit Verweis auf das Wärmeplanungsgesetz hat die Ampel-Koalition nun entschlossen, dass die Regeln des Gebäudeenergiegesetzes erst gelten, wenn die Kommunen ihre Wärmeplanung abgeschlossen haben. Kommunen mit über 100.000 Einwohnenden haben nach den geplanten Gesetzen bis 2026 Zeit, um ihre Wärmeplanung durchzuführen. Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnenden sollen ihre Wärmeplanung bis 2028 abschließen. Sobald die Wärmeplanung vorliegt, gelten die Regeln des Gebäudeenergiegesetzes innerhalb der jeweiligen Kommune. In der Zwischenzeit dürfen weiter fossile Heizungen neu eingebaut und jahrzehntelang betrieben werden, was die Dekarbonisierung des Gebäudesektors unnötig ausbremst und die Wärmewende vertagt – nicht auf September, sondern auf mehrere Jahre.

Verbesserungen bei der Windenergie-Flächenkulisse und -Genehmigungsverfahren

Im letzten Newsletter wurde bereits das Windflächenbedarfsgesetz vorgestellt, dass Länder zur Ausweisung von bestimmten Flächenanteilen für die Windenergie verpflichtet. Zwar nur in sehr langen Zeiträumen, aber immerhin. Jetzt wurde das Gesetz noch verbessert, in dem Länder die Ausweisungsfrist für ihre Kommunen bzw. Planungsträger vorziehen können. Außerdem gibt es eine neue Regelung, dass Kommunen auf eigene Faust auch außerhalb der Eignungsgebiete Windprojekte genehmigen können – zwei Punkte, die die Flächenkulisse und damit den Ausbau der Windenergie deutlich verbessern können.

Auch haben wir schon das letzte Mal von der Genehmigungsvereinfachung in Windeignungsgebieten berichtet – da in diesen regionen Umweltschutzbelange schon zentral bewertet sind, müssen einzelne Windprojekte keine eigene Umweltverträglichkeitsprüfung mehr durchlaufen. Diese Regelung war bisher befristet, durch die inzwischen verabschiedete dritte europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie erhält der deutsche Gesetzgeber aber die Möglichkeit, dies dauerhaft zu verankern – das wird sicherlich auch bald so umgesetzt.

In der inzwischen verabschiedeten Windstrategie des BMWK sind weitere Maßnahmen aufgeführt, um die Genehmigungszeiten zu verkürzen, insbesondere noch kommende Novellen von Bundesnaturschutz- und Bundesimmissionsschutzgesetz. Auch Hindernisse bei der konkreten Projektrealisierung, etwa durch verzögerte Schwertransporte, werden benannt und sollen angegangen werden.

Volle Sonne voraus: Photovoltaikstrategie und Solarpaket I

Auch wenn im Windbereich schon einiges passiert, ist die Politik in Sachen Solar sogar noch einen Schritt weiter: Hier gibt es nun ebenfalls eine grundlegende Handlungsstrategie des Ministeriums zum Thema, aber es wurde auch bereits der Entwurf zu einem ersten Gesetzespaket vorgelegt, nicht „nur“ Einzelmaßnahmen wie beim Wind. Gerade in Sachen Dach-Solaranlagen bringt der Entwurf viel Schwung, etwa durch Verbesserungen bei der Anlagenzusammenfassung, einfachere Direktvermarktungsmöglichkeiten oder schnellere Netzanschlüsse. Für uns besonders erfreulich: Auch die Rahmenbedingungen für Mieterstrom werden verbessert, damit dieses Modell in Zukunft deutlich mehr Anwendung findet. Ergänzend dazu ist für den Geschosswohnungsbau die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung vorgesehen, mit der der Strom vom Dach noch einfacher von den vielen Parteien in einem Mehrfamilienhaus genutzt werden kann. Vielleicht auch ein künftiges Betätigungsfeld für naturstrom?!

Auch sehr erfreulich ist die im Solarpaket I enthaltene Duldungspflicht für Netztrassen bei der Anbindung von Ökostromerzeugern – was dann natürlich auch für Windprojekte gilt. Der Netzanschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen kann so deutlich vereinfacht und günstiger oder mindestens berechenbarer werden.

Davon abgesehen gibt es relativ wenige Maßnahmen für Freiflächenanlagen, auch eigentlich kurzfristig angekündigte Maßnahmen aus der Solarstrategie wie etwa eine Ausweitung der Flächenkulisse oder die Verankerung von Biodiversitäts-PV-Anlagen sind noch nicht enthalten. Hier gibt es aber auch noch Raum zur Verbesserung, der Gesetzentwurf soll erst in den kommenden Wochen im Kabinett verabschiedet und dann im Herbst im Bundestag beraten werden.

Aufbruchsstimmung in Sachen Energy Sharing

Die Solarstrategie macht zudem in Sachen Energy Sharing Hoffnung. Erstmals wird ein konkreter Prozess zur Umsetzung benannt. Zwar geht es zunächst nur um die Einrichtung einer Arbeitsgruppe im angebrochenen zweiten Halbjahr 2023, aber bislang fand überhaupt keine systematische Befassung mit dem Thema statt, insofern ist das schon ein Fortschritt. naturstrom hat hier gemeinsam mit einigen Verbänden und befreundeten Unternehmen schon vorgearbeitet und ein fertiges Konzept inklusive Gesetzesentwurf vorgelegt. Und die Politik hat im Rahmen eines parlamentarischen Abends des Bündnis Bürgerenergie durchaus offen darauf reagiert – von dem SPD-Energiepolitiker Timon Gremmels kam sogar der Vorschlag, Energy Sharing direkt über das Gesetzgebungsverfahren zum ersten Solarpaket zu ermöglichen. Nach dem vielen Ärger und dem schwierigen Ergebnis beim GEG, das wir am Anfang beschrieben haben, nun also noch eine gute Nachricht zum Schluss: Die Ermöglichung des gerade von der Bürgerenergieszene lange gewünschten Energy Sharing ist damit so nah wie noch nie!

Ansprechpartner:innen: Caterina Marcucci und Sven Kirrmann

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