Alles neu macht das erste Quartal: Von frischen Kolleginnen, Marktideen, Wärmegesetzen und Ausbauanstrengungen

Eigentlich soll ja erst der Mai alles neu machen, energiepolitisch wurde aber nicht auf den Frühsommer gewartet: Schon in den ersten vier Monaten des Jahres wurde sowohl national als auch europäisch einiges in Bewegung gesetzt. Das Wirtschaftsministerium hat nicht umsonst das Versprechen gegeben, auch nach der Energiepreiskrise von 2022 wieder das Haus mit den meisten Gesetzesvorlagen werden zu wollen. Dabei geht vieles in die richtige Richtung – aber es gibt auch ein paar Klimaschutz-Dämpfer. Komplett erfreuliche Nachrichten gibt es dagegen intern aus dem Politikteam. Genaueres erfahrt ihr hier.

Ich bin ja eigentlich ein Verfechter von „das Beste zum Schluss“. Aber heute mache ich mal eine Ausnahme und steige gleich mit einer besonders guten Nachricht ein: Das naturstrom-Politik-Team hat Zuwachs bekommen und verdoppelt sich damit direkt! 😊
Seit Mitte Februar ist Caterina Marcucci als Referentin für politische Kommunikation im Berliner Büro an Bord. Cati wird sich vor allem um die bisher zu wenig adressierten Themen Wärme und Mobilität kümmern, damit unsere praktischen Energiewende-Anstrengungen in diesen Sektoren ebenfalls politisch flankiert werden und wir so nicht nur in den Unternehmensangeboten, sondern auch im Gespräch mit Verbänden und Politik die ganzheitliche Nutzung Erneuerbarer Energien abdecken.

Hitzige Debatten um die Wärmewende

Catis Einstieg kam dabei genau pünktlich zu den Debatten rund um die Erneuerung des Gebäudeenergiegesetzes. Mit diesem soll nun endlich der Abschied von fossilen Energien auch im Wärmesektor eingeleitet werden, was erhebliche Debatten und Widerstände ausgelöst hat. Der hauptsächliche Hebel ist dabei, dass jede neu installierte Heizung – ob im Neu- oder Altbau – eine Mindestquote von 65 Prozent Erneuerbaren Energien erfüllen muss. Gas- und Ölheizungen wären damit mindestens als alleinige Wärmequelle tatsächlich perdu. Warum dieser Weg richtig ist, weshalb die vor allem von der BILD-Zeitung befeuerte Aufregung heillos übertrieben war und welche Erfüllungsoptionen der Gesetzentwurf für die kommenden Pflichten vorsieht, hat Cati direkt in einem aktuellen Blogbeitrag zusammengefasst: www.blog.naturstrom.de.

Neuordnung des Strommarktes auf europäischer und deutscher Ebene

Aber nicht nur der Wärmesektor wird grundlegend neu geordnet, auch im Strombereich gibt es erhebliche Reformbemühungen. Beispielsweise von Seiten der EU-Kommission, die als Reaktion auf die Energiepreiskrise von 2022 einige Neuordnungen angehen will. Ziel ist dabei generell, die günstigen Gestehungskosten von Erneuerbaren besser den Verbraucher:innen zu Gute kommen zu lassen. Eine Idee ist etwa, Anlagenförderungen auf CfD (Contract for Difference, Differenzverträge) umzustellen – hier gäbe es dann statt nur einer Absicherung nach unten auch eine maximale Einnahmenhöhe für die Betreiber:innen, Mehreinnahmen würden staatlich einkassiert und könnten für Entlastungsmaßnahmen genutzt werden. Auch PPA sollen gestärkt werden, um über diese langfristigen Abnahmeverträge die Preiskalkulationen von Energieversorgern unabhängiger von kurzfristigen Marktentwicklungen zu machen. Auch wird überlegt, Versorger zu langfristigen Vertragsangeboten mit Preisbindung zu verpflichten oder Verbraucher:innen die Möglichkeit einzuräumen, zwei Stromverträge zu kombinieren – etwa einen langfristigen, preisgebundenen und einen zur kurzfristigen Spitzenlastabdeckung. Dynamische Tarife sollen generell ausgeweitet werden. Bis Ende des Jahres sollen hier entsprechende Maßnahmen beschlossen werden

Auf deutscher Ebene geht es in der Mitte Februar gestarteten Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) um die Zukunft des Strommarktes. Ergänzend zur EU-Kommission geht es hier allerdings weniger um die Verbraucher:innenperspektive, sondern mehr um die dauerhaften Refinanzierungsmöglichkeiten für Erneuerbare, die Organisation von Flexibilität im System sowie die Realisierung von steuerbaren Back-up-Kraftwerken. In vier Arbeitsgruppen soll bereits bis Sommer ein erster Zwischenbericht erarbeitet werden, der die Grundlage für die Ausgestaltung des deutschen Energiesystems in den kommenden Jahren liefern soll. Fester Teil des Berichtes bzw. des künftigen Energiesystems werden wohl Ausschreibungen für regelbare Leistung, also wohl Gas- bzw. H2-Kraftwerke – zumindest wurden solche Auktionen schon von Minister Habeck angekündigt. Auf Basis des Sommerberichtes und des dann voraussichtlich bis Jahresende folgenden Endberichtes sollen dann die Strommarktgegebenheiten in Deutschland angepasst werden.

Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende

Damit die auf EU-Ebene angedachten neuen Strommarkt-Möglichkeiten auch wirklich von Verbraucher:innen genutzt werden können, braucht es ein viel digitaleres Energiesystem und damit vor allem die massenhafte Verbreitung von Smart Metern. Hier ist Deutschland ja gegenüber anderen europäischen Ländern, die teilweise schon jeden Haushalt so ausgestattet haben, noch weit im Hintertreffen. Das soll sich nun aber ändern: Mit dem Mitte April final verabschiedeten Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende werden die regulatorischen Hürden für den Smart-Meter-Einbau deutlich gesenkt, und zudem wird auch eine klare Preisobergrenze eingeführt, so dass die Haushalte vor Mehrkosten aufgrund dieser Digitalisierung bewahrt bleiben.

Besonders erfreulich an dem Gesetz sind zwei Änderungen, die erst noch im Lauf des parlamentarischen Verfahrens Einzug gehalten haben: Erstens wird nun explizit ein virtueller Summenzähler erlaubt, man kann die Abgrenzung einer Kundenanlage vom öffentlichen Netz nun also per Smart Meter vornehmen und muss nicht gesondert teure Mess-Hardware verbauen. Und zweitens sind die grundzuständigen Messtellenbetreiber nun verpflichtet, auch nicht-bilanzierungsrelevante Zählpunkte wie etwas Mieterstromhaushalte mit relevanter Messtechnik auszustatten. Beide Verbesserungen haben wir uns für die dezentrale Energieversorgung schon lange gewünscht und diese könnten die Nutzung von Mieterstrom deutlich vereinfachen.

Solargipfel und -strategie: Sonnige Ausblicke

Apropos Mieterstrom: Mitte März fand ein vom Wirtschaftsministerium ausgerichteter Solargipfel statt, auf dem auch ein Entwurf einer Solarstrategie vorgestellt wurde – quasi eine Sammlung an Punkten, die in dem Feld nun noch regulatorisch angegangen werden sollen. Nachdem mit der EEG-Novelle des letzten Jahres die Ziele beim EE-Ausbau deutlich hochgesetzt wurden, sollen mit der Solarstrategie und den folgenden Gesetzgebungsprozessen nun die Hemmnisse angegangen werden, die dieser Zielerreichung im Weg stehen. Zu diesem Strategieentwurf wurden dann zunächst Rückmeldungen eingesammelt, auch naturstrom hat sich mit einer Stellungnahme beteiligt.

Natürlich ging es thematisch dabei auch um Freiflächenanlagen, um Dach-PV auf Eigenheimen sowie um Balkonsolar, ein besonderer Schwerpunkt lag allerdings bei der Solarnutzung auf Geschosswohnungsbauten und damit dem Mieterstrom. Es wurden mehrere Modelle vorgestellt, wie hier mehr Geschwindigkeit reingebracht werden könnte, auch ein kompletter Abschied vom bisherigen Mieterstromansatz stand im Raum.

Doch das Gegenteil ist der Fall – ganz zu unserer Freude: Nicht nur bleibt uns das Mieterstrommodell wohl erhalten, sondern wird sogar weiter entbürokratisiert. Parallel dazu sollen aber ergänzende Modelle für die Solarnutzung auf Mietshäusern etabliert werden.

In Sachen Freiflächenanlagen hält die Solarstrategie ebenfalls gute Nachrichten bereit: Es soll mehr Flächen und einfachere Anmelde- sowie Vermarktungsverfahren geben. Und auch die Netzanschlussthematik, die aktuell ein großer Engpass ist, soll mittels einer Duldungspflicht gegenüber relevanten Grundstückseigentümer:innen entschärft werden.

Die Solarstrategie soll bis zu einem zweiten Solargipfel in der ersten Maihälfte fertiggestellt werden; auf dieser Basis sollen dann rasch Gesetzgebungsverfahren zu den verschiedenen Punkten folgen. Ein erstes Paket soll noch vor der Sommerpause im Kabinett verabschiedet werden, ein zweites Paket mit den komplizierteren Punkten folgt dann bis Jahresende

Auch zu Wind an Land wird gegipfelt und strategisiert

Das politische Vorgehen zur Solarenergie wird genauso und parallel dazu auch für die Windenergie an Land durchgezogen. Auch hier gab es im März ein Gipfeltreffen, allerdings zwei Wochen nach dem Solar-Pendant, auch hier folgte ein technologiespezifischer Strategieentwurf. Im Gegensatz zum Solarbereich, in dem eine Vielzahl an Themen und schon eine Menge konkreter Lösungsansätze versammelt waren, gab sich der Entwurf zur Windstrategie allerdings noch relativ spärlich – auch das Ministerium spricht hier nur von Eckpunkten.

Inhaltlich ging es hier vergleichsweise wenig um die Flächen, die immer noch ein großes Nadelöhr für Neuprojekte sind. Stattdessen wurden viele flankierende Themen aufgegriffen, von einer Stärkung von PPA-Verträgen (die seltsamerweise bei Solar gar nicht erwähnt wurden, obschon sie dort viel häufiger genutzt werden) über Repowering, den Transport der immer größer werdenden Anlagen bis hin zur Fachkräftesicherung. Auch die europäische Sicherung der notwendigen industriellen Produktionskapazitäten war wie schon im Solar-Dokument ein Thema.

Bis zu einem zweiten Windgipfel Ende Mai sollen die bisherigen Eckpunkte nun zu einer wirklichen Strategie wachsen, die dann auch hier Grundlage für beschleunigende Gesetzgebungsverfahren sein soll.

Bessere Flächenverfügbarkeit für Windenergie

Um die Flächen für Windenergie ging es aber auch schon vor Windgipfel und -strategie. Gerade das letzten Herbst verabschiedete Windflächenbedarfsgesetz, das zum 1. Februar in Kraft getreten ist, hat hier wichtige Grundlagen gelegt. Die Bundesländer müssen nun verpflichtend einen gewissen Landesanteil für die Windenergienutzung ausweisen, im Durchschnitt geht es hier um zwei Prozent. Das Ganze zwar nur in zwei Schritten und final erst bis 2032, aber dennoch ist das ein ganz wichtiger Schritt – und eine allgemeine Beschleunigung des Ausweisungsprozesses wird bereits debattiert, einige Bundesländer wie NRW haben das sogar schon auf eigene Faust angekündigt.

Aber es ging im ersten Quartal 2023 nicht nur um ausreichend Flächen für die Windenergie, sondern auch um eine möglichst unkomplizierte Nutzung dieser. Dazu hat die EU mit einer Notfallverordnung zur Energiekrise noch Ende letzten Jahres die Grundlagen gelegt. Die Mitgliedsstaaten müssen demnach die Möglichkeit schaffen, dass in Windeignungsgebieten, die in aller Regel bereits auf mögliche Umweltauswirkung hin untersucht werden, Windprojekte ohne die sonst vorgeschriebene projektspezifische Umweltprüfung genehmigt werden können. In Deutschland wurde diese Möglichkeit zugleich genutzt und in einem rekordverdächtig schnellen Gesetzgebungsprozess Anfang März final beschlossen. Die neuen, vereinfachten Möglichkeiten gelten dabei nicht nur für Neuprojekte, sondern auch für Vorhaben, die bereits in der Entwicklung sind. Zwar sind die Notfallverordnung und damit die resultierenden Genehmigungserleichterungen zunächst bis Juni 2024 befristet, aber mit der Ende März auch schon final beschlossenen dritten Fassung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie wird dieser Gestaltungsspielraum für die Mitgliedsstaaten dauerhaft ermöglicht.

Koalitionsausschuss: Erneuerbare hui, Klima pfui

Auch der viel debattierte, quälend lange und zweigeteilte Koalitionsausschuss hatte ein paar gute Nachrichten für den Erneuerbaren-Ausbau im Gepäck. Entlang von Bundesstraßen und Schienenwegen sollen neue Ausbauflächen entstehen, Kommunen sollen die Möglichkeit erhalten, auch außerhalb von Windeignungsgebieten Flächen für Windprojekte zur Verfügung zu stellen und es sollen zudem spezielle Gebiete für die Versorgung von Industriebetrieben mit Erneuerbaren Energien geschaffen werden. Darüber hinaus soll das Bundesimmissionsschutzgesetz novelliert und damit die Genehmigungen für Windenergieanlagen vereinfacht werden. Und zuletzt sollen auch die Naturschutzkompensationen, die bei jedem Infrastrukturprojekt anfallen, unbürokratischer gestaltet werden (bzw. laut Solarstrategie bei Biodiversitäts-Solarparks ganz entfallen).

In anderen Bereichen gab es dagegen weniger gute Nachrichten. Am offensichtlichsten ist hier sicher der Autobahnausbau an bis zu 144 Stellen zu nennen. Immerhin wurde im Verkehrsbereich aber auch beschlossen, die Lkw-Maut deutlich zu erhöhen und die Einnahmen überwiegend in den Schienensektor zu stecken. Das bedeutet eine deutlich bessere Finanzierung für die Bahn und damit hoffentlich attraktivere Angebote im öffentlichen Verkehr.

Ebenfalls sehr zwiespältig wurden die Vereinbarungen zum Klimaschutzgesetz aufgenommen, auch wenn die Vereinbarung im Koalitionsausschuss eigentlich nur die Beschlusslage des Koalitionsvertrages bestätigt hat. Sicher ist die Aufweichung der Sektorenverantwortung bei den Klimaschutzzielen und die Streichung der unmittelbaren Pflicht zu Sofortprogrammen bei Zielverfehlung eher kontraproduktiv. Allerdings muss man auch sagen, dass das Gesamt-Klimaziel ja weitererfolgt wird, zudem haben alle Sektoren sehr ambitionierte Minderungspfade, so dass kaum Luft bleibt, dass etwa der Energiesektor Verfehlungen im Verkehr überkompensieren könnte. Und die zukünftig eher nach vorne gerichteten Projektionen könnten sogar noch mehr Handlungsdruck gegenüber der bisherigen Vergangenheitsbetrachtung entwickeln. Im Endeffekt würde ich die Einigung daher gar nicht so negativ beurteilen wie viele andere Beobachter:innen. Allerdings kommt es jetzt eben auf die weitere Umsetzung an, eine Novelle des Klimaschutzgesetzes soll schon im Mai vorgelegt werden

Energy Sharing

Ein Sonderthema will ich zudem noch separat als Ausblick beleuchten: Eigentlich müsste laut europäischen Vorgaben in Deutschland ja schon seit zwei Jahren Energy Sharing möglich sein, dass also Bürgerenergieakteur:innen von der Stromerzeugung aus eigenen Erneuerbaren-Anlagen auch übers öffentliche Netz direkt profitieren können. Die letzte Regierung hat eine Umsetzung allerdings verweigert und auch bei der aktuellen Ampel-Koalition stand das Thema nicht ganz oben auf der Agenda, obschon im Koalitionsvertrag als Aufgabe erwähnt. So langsam kommt aber Bewegung in die Sache. Diese Gelegenheit sehen auch die Verbände BEE und Bündnis Bürgerenergie, die Ende April einen konkreten Umsetzungsvorschlag präsentieren und so Druck auf die Politik machen wollen. An der Konzeptentwicklung war auch naturstrom stark beteiligt, wir werden das Thema daher in der nächsten Zeit auch immer wieder aufgreifen. Mehr zur weiteren Entwicklung hierbei lest ihr dann in dem nächsten Politik-Artikel des internen Newsletters.

 

Ansprechpersonen: Sven Kirrmann und (neu!) Caterina Marcucci

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